Rückführung des Kindes nach dem HKÜ – ausnahmslos immer?

von | Jun 6, 2022 | Divorce Journal, Internationales Familienrecht

Eine internationale Kindesentführung im Sinne von HKÜ (Haager Kindesentführungs-übereinkommen) liegt vor, wenn das Kind widerrechtlich in einen Mitgliedstaat verbracht wird oder in diesem zurückgehalten wird und es davor seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Vertragsstaat hatte.

Lesen Sie bitte zum Thema Kindesentführung sowie zum personellen und räumlichen Anwendungsbereich des HKÜ unseren Beitrag zu den gesetzlichen Regelungen der Kindesentführung.

Das Übereinkommen sieht eine Reihe von Umständen vor, die das Gericht ausnahemsweise berechtigen Die Rückführung des Kindes abzulehnen. Vorgesehen sind im Sinne von Artikel 13 HKÜ folgende Ausschlusstatbestände:

  • Zustimmung oder nachträgliche Genehmigung des Verbringens im Sinne von Art 13 Absatz1 HKÜ
  • Die Rückgabe ist mit einer schwerwiegenden Gefahr eines Schadens für das Kind verbunden
  • Das Kind widersetzt sich der Rückgabe und hat bereits ein Alter oder eine Reife erreicht, angesichts deren es angebracht erscheint seine Meinung zu berücksichtigen , Art. 13 Abs 2 HKÜ

Diese Tatbestände die eine Abwehr der Rückführungsverpflichtung begründen sind durch den der sich darauf beruft in der Regel damit der vermeintlich entführende Elternteil darzulegen und zu beweisen.

Im Einzelnen hierzu:

Eine Verpflichtung besteht nicht, wenn nachgewiesen wird, dass der Sorgerechtsberechtigte, der die Rückführung verlangt, das Sorgerecht zum Zeitpunkt der Kindesentführung tatsächlich nicht ausgeübt hat oder dem Verbringen oder der Zurückhaltung zugestimmt hat oder sie nachträglich genehmigt hat: gemeint sind damit die Fälle mit denen die sich für den Antragsteller rechtlich aus der elterlichen Sorge ergebenden Rechte und Pflichten nicht wahrgenommen werden.

Weitere Verpflichtung besteht. Nicht wenn sie das Kind einer ungewöhnlich schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen und /oder seelischen Sachadens aussetzt und es in eine auf andere Weise unzumutbare Situation bringt- diese Regelung ist eng auszulegen- die Rechtsprechung stellt hohe Anforderungen an die Erfüllung der Voraussetzungen – nicht maßgebend ist hierbei wessen Erziehung und Betreuung dem Wohl des Kindes am besten entspricht- vielmehr kommt es allein darauf an, ob eine schwerwiegende Gefährdung des Kindeswohls durch die Rückführung eintritt: es muss sich hierbei um eine Situation handeln die über das hinausgeht, was ein Kind im vergleichbaren Alter in nachvollziehbarer Weise bewältigen kann, damit eine über die üblichen mit einer Rückführung verbundenen Belastungen für das Kind.
Die Gefährdung muss sich als besonders erheblich, konkret und aktuell darstellen wie etwa Missbrauch oder aber Misshandlung des Kindes.

Bereits entschiedene Beispiele aus der Praxis: in der Rechtspraxis werden häufig folgende Versagungsgründe vorgetragen:

  • Gefahr eines Missbrauchs der der Misshandlung des Kindes im Falle der Rückkehr: Hierzu wird in ständiger Rechtsprechung ein detaillierter Vortrag objektiver Beweise verlangt – das Gericht hat dann bei nachgewiesenen Tatsachen eine am Kindeswohl orientierte Wahrscheinlichkeit- und Risikoabwägung vorzunehmen
  • Das Kind wird für den Fall der Rückkehr der häuslichen Gewalt zwischen den Eltern ausgesetzt. Ein solches Verbringen im gerichtlichen Verfahren scheitert regelmäßig an dem auch hier verlangten detaillierten Vortrag und Beweis eine schwere elterliche Suchtmittelabhängigkeit
  • Geschwistertrennung: nur für den Fall einer nicht zu verkraftenden Geschwistertrennug wird dieser Fall bejaht
  • ökonomische, gesundheitliche oder die Bildung betreffenden Nachteile im Falle der Rückführung: wird regelmäßig abgelehnt, günstigere Entwicklungsbedingungen in Deutschland oder einem anderen Land reichen für den Vortrag nicht aus

Ferner kann das Gericht gem. Art 13 Abs 2 HKÜ es ablehnen, die Rückgabe anzuordnen, wenn sich das Kind der Rückgabe widersetzt, soweit es ein alter und eine Reife erreicht hat, angesichts derer es angebracht erschient, seine Meinung heranzuziehen- der Widerstand muss hierbei ernsthaft und aus freien Stücken erfolgen. Auch hier wieder reicht hierfür ein bloßes Verbleiben wollen beim Entführenden Elternteil hierfür nicht aus: der Widerstand muss sich gegen die Rückführung selbst richten.
Dem Alter des Kindes kommt dabei eine Indizwirkung zu – wegen der unterschiedlichen Entwicklung der Kinder ist Reife individuelle zu ermitteln: im Alter von 14 Jahren sieht die deutsche Rechtsprechung beispielsweise die Voraussetzung als erfüllt an.

Abschließend ist noch darauf hinzuweisen dass die Entscheidung über die Rückführung Vorrang hat und eine Sperrwirkung für anderweitige beantragte Entscheidungen bedeutet:

Entführende Eltern bemühen sich vielfach darum eine Entscheidung über die Änderung der elterlichen Sorge herbeizuführen um die Rückführung des Kindes zu verhindern- Nach Art. 16 HKÜ dürfen Gerichte des Zufluchtstaates nachdem ihnen das widerrechtliche Verbringen oder Zurückhalten mitgeteilt worden ist , eine Sachentscheidung zum Sorgerecht erst treffen, wenn entschieden ist dass das Kind nicht aufgrund des Übereinkommens zurückzuführen ist oder wenn innerhalb einer angemessenen Frist ( 6 Monate bis 1 Jahr) kein Antrag auf Rückführung gestellt worden ist.

And Last but not least :

Die positive Entscheidung über die Rückführung des Kindes wird erst mit Rechtskraft wirksam das heißt wenn kein Rechtsmittel in Form einer Beschwerde eingelegt wird oder über diesen entschieden ist ; der Vollzug kann bei Nichterfüllung mit Zwangsmitteln wie Ordnungsgeld oder aber Ordnungshaft erwirkt werden.

Ihre Rechtsanwältin Anja Czech

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