Internationale Kindesentführung – gesetzliche Regelungen

von | Nov 13, 2021 | Divorce Journal, Internationales Familienrecht

I. Wann liegt eine Kindesentführung vor?

Von einer Kindesentführung spricht man, wenn ein Kind aus dem Land in dem es seinen gewöhnlichen Aufenthalt und Wohnsitz hat, entführt wird, ohne dass es im Vorfeld zu einer Absprache zwischen den Eltern gekommen ist : bei gemeinsamer elterlichen Sorge entscheiden BEIDE Elternteile über den dauerhaften Aufenthalt des Kindes also auch darüber wo das gemeinsame Kind seinen Lebensmittelpunkt hat und leben soll; eine einseitige Entscheidung ohne eine entsprechende Zustimmung des anderen Elternteils stellt damit eine Verletzung der elterlichen Sorge dar.

Wurde Ihr Kind von Ihrem Partner widerrechtlich ins Ausland oder aus dem Ausland nach Deutschland verbracht oder zurückgehalten, gibt es rechtliche Möglichkeiten, um das Kind wieder zurückzubringen. Zu diesem Zweck wurden internationale Übereinkommen und Verträge geschlossen, die Behörden und Gerichten internationale Handlungsmöglichkeiten eröffnen. Sie regeln internationale Sorgerechtskonflikte unter allen Vertragsstaaten, die den Übereinkommen angehören und ermöglichen es ein entführtes Kind schnell wieder in den Staat seines Wohnsitzes zurückzubringen.

Dazu gehören:

1. Haager Kindesentführungsübereinkommen (HKÜ)

Diesem Übereinkommen gehören über 100 Vertragsstaaten an, unter anderem Deutschland, Polen, Russland. Die Abkürzung “HKÜ” steht für das „Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung“ vom 25.10.1980.

2. Brüssel II a Verordnung

Das Haager Übereinkommen wird seit 2005 von der Brüssel II a Verordnung ergänzt. Die Brüssel II a-Verordnung gilt unmittelbar in allen EU-Staaten mit Ausnahme Dänemarks, derzeit also in 26 Staaten.

3. Haager Kinderschutzübereinkommen

Das Haager Kinderschutzübereinkommen von 1996 hat über 50 Vertragsstaaten. 

II. Vorgehen bei einer Kindesentführung

In jedem Vertragsstaat bestehen gemäß Art. 6 HKÜ Zentrale Behörden, die zusammen arbeiten und die Zusammenarbeit von Behörden und Gerichten ihrer Länder fördern, um die sofortige Rückgabe von Kindern sicherzustellen. Sie werden auf Antrag der Betroffenen tätig. Ihre Massnahmen betreffen den Gesamtkomplex erforderlichen Tätigkeiten: vom dem Ausfindigmachen des Aufenthaltsortes bis zur sicheren Rückgabe des Kindes. In Deutschland ist es das Bundesamt für Justiz, § 3 Abs. 1 IntFamRVG.

Der rechtsuchende Elternteil kann in Deutschland einen Antrag nach dem HKÜ auf Rückführung des Kindes in den Heimatstaat stellen, damit dort über elterliche Sorge und/ oder Umgang entschieden wird. Zunächst muss ein Antrag beim Bundesamt für Justiz auf Rückführung des Kindes gestellt werden. Dieses prüft die Voraussetzungen und leitet den Antrag an die zuständige Behörde des jeweiligen Vertragsstaates weiter, die den Aufenthaltsort des Kindes ermittelt. In Betracht kommt eine freiwillige Rückführung des Kindes oder ein gerichtliches Rückführungsverfahren.

1. Gültiges Übereinkommen

Das Übereinkommen muss zwischen dem Staat, aus dem das Kind kommt und Deutschland
gelten.

Eine Tabelle mit allen Mitgliedstaaten finden Sie unter: https://www.bundesjustizamt.de/DE/Themen/Buergerdienste/HKUE/Staatenliste/Staatenliste_node.html

2. Kind hat das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet, 4 S.2 HKÜ

3. Widerrechtliches Verbringen oder Zurückhalten des Kindes, Art.3. HKÜ

Widerrechtlich ist ein Verbringen des Kindes in folgenden Fällen:

  • Verletzung des Sorgerechts, das einer Person, Behörde oder sonstigen Stelle allein oder gemeinsam nach dem Recht des Staates zusteht, in dem das Kind unmittelbar vor dem Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte;
  • dieses Recht im Zeitpunkt des Verbringens oder Zurückhaltens allein oder gemeinsam tatsächlich ausgeübt wurde oder ausgeübt worden wäre, falls das Verbringen oder Zurückhalten nicht stattgefunden hätte.

4. Kein Ausnahmetatbestand, 12, 13 HKÜ

Das Übereinkommen sieht eine Reihe von Umständen vor, die das Gericht ausnahmsweise berechtigen, die Rückführung des Kindes abzulehnen. Es handelt sich um Ermessenstatbestände, die vom Gericht zurückhaltend und in hoher Verantwortung anzuwenden sind, um dem Ziel des HKÜ gerecht zu werden, Kindesnentführungen rückgängig zu machen und ihnen jegliche Wirkungen auf die Sorgerechtsregelung zu nehmen. Vorgesehen sind folgende Ausschlusstatbestände:

  • die sorgeberechtigte Person stimmte dem Verbringen zu oder aber genehmigte es nachträglich, Art. 13 Abs. 1 lit.a HKÜ
  • die Rückgabe ist mir einer schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden oder bringt das Kind auf andere Weise in eine unzumutbare Lage, Art. 13 Abs. 1 lit.a HKÜ
  • das Kind widersetzt sich der Rückgabe und hat ein Alter und eine Reife erreicht, angesichts deren es angebracht erscheint, seine Meinung zu berücksichtigen , Art. 13 Abs. 2 HKÜ

Mehr zu diesem Themenkomplexen lesen Sie bitte in unserem Divorce Journal Artikel unter dem Titel:

„ Rückführung des Kindes nach dem HKÜ – ausnahmslos immer ?“

( Beitrag Frau RAin Anja Czech)

5. Frist und durchschnittliche Dauer des Verfahrens

Der Antrag muss innerhalb eines Jahres nach Verbringen des Kindes ins Ausland gestellt werden. Andernfalls kann die Rückführung mit der Begründung abgelehnt werden, dass das Kind sich in die neue Umgebung eingelebt habe.

Das Abkommen schreibt vor, dass die Dauer des Verfahrens maximal 6 Wochen betragen darf. Es handelt sich um ein beschleunigtes Verfahren mit einer summarischen Tatsachenprüfung. Eine bloße Glaubhaftmachung reicht aber nicht aus. Zugelassen werden nur unschwer zu erhebende oder präsente Beweismittel. Sachverständigengutachten werden regelmäßig nicht eingeholt.

III. Abschliessende Zusammenfassung

Das HKÜ dient aber auch dem Zweck Entführungen zu verhindern. Sie sollten schnell reagieren, wenn sich ein geplantes Wegziehen ihres Partners in das Ausland anbahnt ohne dass Sie die alleinige Entscheidungsbefugnis inne haben. In einem solchen Fall ist es dringend ratsam einen Anwalt zu konsultieren, um vor dem Wegzug ein Sorgerechtsverfahren im Herkunftsland zu führen mit dem Ziel der Erlangung der alleinigen Entscheidungsbefugnis.
In eiligen konkreten Situationen empfiehlt sich zudem ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit einer entsprechenden Mitteilung an die Grenzbehörden. Die Voraussetzungen sowie die Beweisbarkeit sollten in jedem Falle im Rahmen einer Beratung an Ihrem konkreten Einzelfall sorgfältig geprüft werden – erweist sich die Entführungsgefahr als bestätigt ist ein unverzügliches Handeln veranlasst !

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